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Vogue - 10.1.14
Leonardo DiCaprio: "Ich fühlte mich wie ein Rockstar"
von Rüdiger Sturm

Was wäre Leonardo DiCaprio ohne Martin Scorsese? Die Zusammenarbeit mit dem Starregisseur bescherte dem heute 39-Jährigen einige
seiner besten Filme – „Wolf of Wall Street“, die Geschichte des berühmt-berüchtigten Börsenmaklers Jordan Belfort, die bereits jetzt
mit diversen Nominierungen gewürdigt wird, reiht sich nahtlos darin ein. Dabei macht er beim Interview in New York eher den Eindruck,
als würden ihm diese Einsätze physisch etwas zu viel werden.
Sie gehen am Krückstock, was ist Ihnen passiert?
Neben meinem Haus wird gerade gebaut, und da bin ich mit einem Fuß durch ein Brett am Boden gekracht und habe mir den Knöchel
verstaucht. Aber das ist okay, in einer Woche ist es vorbei.
Das sind also keine Spuren des exzessiven Drehs von "Wolf of Wall Street"?
Nein, absolut nicht.
Aber als hedonistischer Wall Street-Millionär erleben Sie eine surreale Situation nach der anderen. Das muss sich doch auch in ihrer
Arbeit widergespiegelt haben.
Sie haben schon recht, diese Welt war die eines Kaisers Caligula, in der du mit Mädchen, Geld und Drogen jonglierst. Und diese
verrückte Stimmung hat den Dreh sicher bis zu einem gewissen Grad geprägt. Aber ich selbst habe nie solchen Exzessen gefrönt, es
war einfach ein großer Spaß. Die intensivste Erfahrung war, als ich vor meinen Angestellten diese großen Reden im Stil von
"Braveheart" gehalten habe. Nur dass es bei uns nicht darum ging, für die Freiheit unserer Heimat zu kämpfen, sondern um so viele
Leute übers Ohr zu hauen wie möglich. Und wenn du diese ganzen Leute vor dir hast, die allem applaudieren, was du sagst, dann fühlst
du dich wie ein abgefahrener Rockstar. Und ich habe dadurch auch die ganze Mentalität eines Jordan Belfort besser verstanden.
So dürfte es Ihnen zur "Titanic"-Zeit auch gegangen sein. Gab es einen Punkt, an dem Sie sich für den König der Welt hielten?
Wenn du in einem so jungen Alter berühmt wirst, kann dir so etwas leicht passieren. Ich habe das bei anderen Kollegen gesehen. Zum
Glück ließ ich mich dazu nicht hinreißen. Ich war nie gemein zu den Leuten oder habe den coolen Typen heraushängen lassen. Ich bin
ein direkter, geradliniger Mensch. Das mag vielleicht mit meinen deutschen Wurzeln zusammenhängen. Für mich war Hollywood auch kein
Mythos, weil ich da groß geworden bin. So habe ich begriffen, dass der ganze Ruhm nicht soviel bedeutet. Als Schauspieler änderst
du nicht den Lauf der Geschichte. Und deshalb versuche ich mich nicht so sehr in die Öffentlichkeit zu wagen. Das ist ja auch für
meine Karriere wichtig. Sobald die Leute zu viel über mein Privatleben wissen, können sie das nicht mehr vergessen, wenn sie mich
auf der Leinwand sehen. Ich bin in keiner Rolle mehr glaubwürdig.
Aber werden Sie nicht in erster Linie angeheuert, weil Sie ein großer Star sind?
Mit einem Regisseur, der in mir nur einen Filmstar sieht, würde ich nie arbeiten. Zum Glück ist das ja bei Scorsese nicht der Fall.
Warum klappt es bei Ihnen beiden so gut? Sie stammen ja aus zwei komplett verschiedenen Generationen.
Das ist schon richtig. Marty ist so etwas wie mein Mentor geworden, ähnlich wie mein Vater. Er hat mir auch geholfen, als Schauspieler
ein ganz neues Niveau zu erreichen. Wir verstehen uns in allen wichtigen Fragen. Wir mögen die gleiche Musik, die gleichen Filme –
und uns ist auch das Gleiche zuwider. Wenn uns zum Beispiel etwas in einer Szene nicht gefällt, dann müssen wir das gar nicht erst
aussprechen. Und wir beide sind von unserer Arbeit besessen. Hätten wir die Chance, mal drei Jahre lang einen Film zu drehen, wir
würden es sofort tun. So lange ich mich nicht zu Tode arbeite, bin ich zu allem bereit.
Kann man nur mit diesem rigiden Arbeitsethos künstlerisch relevante Filme drehen?
Nein, bei Marty ist es so, dass sein Durst nach tollen Filmen immer noch so groß ist wie zu der Zeit, als er angefangen hat. Was
ich auch für mich in Anspruch nehmen würde. In seinem Kopf schwirren alle möglichen Kinogötter herum, die auf ihn herabblicken und
denen er gerecht werden möchte. Wir beide wollen Filme wie im goldenen Zeitalter der 70er-Jahre, als die Regisseure noch das Sagen
hatten.
Allerdings gibt es bei Filmen auch finanzielle Erwägungen. War es nicht so, dass Sie für "Wolf of Wall Street" erst keine Geldgeber
fanden?
Wir fanden schon Finanziers im Hollywood-System, aber die verlangten einige Kompromisse, insbesondere was das Ende angeht. Dazu
waren wir nicht bereit. Deshalb fiel das Projekt erst einmal auseinander und es dauerte einige Zeit, bis wir es letztlich auf die
Beine stellen konnten. Es waren unabhängige private Investoren, die sagten, dass sie an einen Markt für solche Filme glaubten, und
die uns deshalb das Geld gaben.
Wie wichtig ist Geld für Sie selbst?
Es ist nichts Verwerfliches daran, reich zu sein. Aber das Entscheidende ist, dass du etwas davon an die Gesellschaft zurückgibst.
Ich zum Beispiel engagiere mich sehr für unsere Umwelt. Denn unser ganzer Planet ist bedroht, vor allem aus wirtschaftlichen
Erwägungen. Und deshalb musst du mit deinem Geld verantwortlich umgehen. Leider gibt es noch viel zu viele Leute, die das vermissen
lassen. Zu denen möchte ich nicht gehören.
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