Vanity Fair Nr. 42 - 11. Oktober 2007

INTERVIEW

 

 

"Bush kriegt eine Sechs"

Leonardo DiCaprio �ber die USA als Vorbild f�r die Welt, seine ganz pers�nliche Klimabilanz

 

 

Wenn am 15. November Leonardo DiCaprios neuer Film 'The 11th Hour' in den deutschen Kinos anl�uft, wird auch das hiesige Publikum feststellen k�nnen, was die meisten Amerikaner schon seit einer Weile wissen. Bei keinem Filmstar passen Beruf und Berufung momentan besser in einen Topf als bei Leo. Der 32-j�hrige gilt als so sattelfester Umweltaktivist, dass er es schaffte, f�r 'The 11th Hour' Experten wie den Jahrhundertphysiker Stephen Hawking oder den fr�heren Kremlchef Michail Gorbatschow zu rekrutieren.

Reicht aber alles nicht, sagt DiCaprio. Andere Politiker m�ssten an die Macht - damit Umweltschutz f�r alle endlich ohne Schuldgef�hle und Abstriche an Lebensqualit�t ganz normal wird.

 

VANITY FAIR: Herr DiCaprio, Ihr Vorbild Al Gore hat den Klimawandel in seinem Werk 'An Inconvenient Truth' filmisch schon recht umfassend abgehandelt. Jetzt ziehen Sie mit Ihrem eigenen Film 'The 11th Hour' nach. Was haben Sie der Welt an Neuem mitzuteilen?

LEONARDO DICAPRIO: Al Gore hat uns die Probleme der globalen Erderw�rmung erst so richtig bewusst gemacht. Ohne seine Vorarbeit w�re unser Film nicht m�glich gewesen. Aber wir erweitern das Spektrum: Wir reden von pers�nlicher und politischer Verantwortung. Vor allem aber: Wir reden von M�glichkeiten zur L�sung. Von der Technik her kann man heute 90 Prozent der Spuren menschlicher Verw�stung reduzieren. Es kommt nur darauf an, diese Erkenntnisse auch in unser t�gliches Leben zu implementieren. Ich hoffe auf noch viel mehr Filme dieser Art.

Viele Prominente h�ngen sich gerade das Umweltm�ntelchen um. Wo ordnen Sie Ihr eigenes Engagement ein?

Man vergisst eben zu oft das gro�e Ganze. In den Medien wird nur herumdiskutiert, wer ein Heuchler ist und wer nicht. Ich finde, wir m�ssen endlich der harten Wirklichkeit ins Auge sehen. Jetzt geht es darum, was jeder Einzelne tun muss. Regierung und Unternehmen m�ssen endlich die Voraussetzungen daf�r schaffen, dass wir uns ins Auto setzen k�nnen und den Tank mit Biotreibstoff f�llen - oder mit irgendetwas, das nicht aus dem Nahen Osten herbeigeschaftt werden muss. Unsere H�user k�nnten schon lange mit Sonnen- oder Windkraft beheizt sein. Das w�re doch eine sch�ne Welt, man m�sste sich keine Sorgen mehr machen. Ich bin jedenfalls stolz darauf, Teil der Umweltbewegung zu sein.

Aber sehen Sie sich in Los Angeles um: �berall Gel�ndewagen. Zwischendurch ist mal ein Elektroauto hip, dann der Hybridwagen Prius. Verwirrt das nicht? Au�erdem ist Gr�nsein f�r Nicht-Stars recht teuer.

Stimmt. Die Leute wissen gar nicht mehr, was sie tum sollen. Viele leben in der falschen Annahme, die Umweltaktivisten w�rden ihnen vorschreiben, wie sie leben und was sie jetzt kaufen sollen. Aber wir k�nnen die Verwirrung auf einen einzigen Punkt eindampfen: Alles ist ein Publicity Game. Ein Spiel f�r den Planeten. Eine wichtige Botschaft meines Films ist: Wir w�hlen nicht nur an der Wahlurne. Wir w�hlen jedes Mal, wenn wir f�r etwas bezahlen. So diktieren wir den Unternehmen ihr Gesch�ft - ob es gut ist f�r die Umwelt oder nicht. Nach und nach wird sich die Welt so �ndern. Weil das nat�rlich nicht immer leicht wird, muss es mehr Publicity f�r den Planeten geben. Wir m�ssen den Leuten bewusster machen, was los ist.

Ihr Heimatland Amerika hat den Klimawandel als Thema entdeckt. Selbst Pr�sident George W. Bush schl�gt mittlerweile gr�ne T�ne an. Wie erkl�ren Sie sich das?

Wir m�ssen nun mal Vorbild sein. Wir sind weltweit das Land mit den meisten Konsumenten, und wir sind auch die gr��ten Abfallproduzenten. Wenn wir kein gutes Beispiel f�r die weniger industrialisierten L�nder abgeben, wer denn dann? Aber Pr�sident George W. Bush ist nat�rlich nach wie vor kein Vorbild. Fragen Sie einmal einen Umweltaktivisten, welche Umweltnote er dem Pr�sidenten geben w�rde. Mehr als eine F�nf oder eine Sechs schafft der Mann nicht.

Verglichen mit diesem Negativbeispiel: Was tut der amerikanische B�rger Leonardo DiCaprio selbst f�r den Planeten?

Ich lebe so gr�n wie m�glich. Ich habe Solarzellen auf dem Dach. Ich habe mein Haus nach �kologischen Ma�st�ben gebaut. Ich kaufe Biolebensmittel.

Bringen Sie Ihre recycelbaren Kaffeebecher zur�ck zu Starbucks? Gehen Sie nachts durchs Haus und drehen die Lampen raus?

Ich tue, was ich kann. Okay: Ich mache so viel, wie mir halt m�glich ist.

Wir sitzen hier in einem Hotel, inmitten professioneller Lichtanlagen und allerlei anderem stromfressenden Komfort. Wie passt das zu Ihrer Botschaft?

Pers�nlich etwas zu tun ist unheimlich wichtig. Man will ja auch ein Beispiel abgeben f�r andere. Aber was Sie ansprechen, stimmt schon: Es ist ein t�glicher Konflikt. Ich warte auf eine neue Welt, in der wir nicht mehr �ber solche Sachen nachdenken m�ssen. Eine Welt, in der die Leute, die dazu da sind, uns zu regieren, das richtige Umfeld geschaffen haben. Das wird nat�rlich nie passieren, wenn wir nicht die richtigen Fragen stellen und die richtigen Leute an die Macht bringen. Bis dahin m�ssen wir warten.

Ihr �berwiegend junges Publikum kennt Sie als Schauspieler im Unterhaltungsgenre. Jetzt stehen Sie mit Ihrem Namen f�r einen reinen Interviewfilm, in dem Sie nur als Erz�hler in Erscheinung treten. Glauben Sie, Ihre Fans lassen sich davon motivieren?

Ich hoffe das. Diese Generation wird ja die Welt erben, die wir f�r sie geschaffen haben. Aber eigentlich wollte ich den Film nur machen, weil ich die Diskussion in den Medien satthatte. Ich sa� da, sah mir all die neuen Sendungen an, in denen Umweltaktivisten zu Wort kamen, die ihr Leben der Erforschung der Gefahren der globalen Erw�rmung verschrieben haben. Und dann traten immer diese Typen auf den Plan, die behaupteten, alles sei halb so wild. Dabei bin ich der festen �berzeugung, dass die �berw�ltigende Mehrheit der Wissenschaftler nicht von den �lgesellschaften oder so gekauft ist. �ber die hellsten K�pfe unter diesen Wissenschaftlern wollten wir einen Film machen. Sie sollten frei reden k�nnen. Frei von R�cksichten auf irgendwelche Firmen, frei von Einflussnahme durch die Studios.

Ein Gro�teil des Films wurde in der Garage Ihrer Mutter gedreht. Waren Sie pers�nlich bei den Interviews anwesend?

Meistens nicht. Ich musste ja filmen. Der gr��te Teil der kreativen Arbeit passierte eh im Schneideraum. Wir hatten Material f�r Hunderte von Stunden. Wir haben uns etwa st�ndig dar�ber gestritten, welche Zitate wir nehmen sollten, um dem Film am Ende den richtigen emotionalen Dreh zu verpassen.

In den letzten Jahren haben Sie sich sehr in die Umweltschutzthematik hineingekniet. Sie sind von Jahr zu Jahr politischer geworden. Wann sehen wir Sie als Politiker?

Ich habe keinerlei politische Ambitionen, absolut gar keine.

Im n�chsten Jahr wird in den USA ein neuer Pr�sident gew�hlt. Im Wahlkampf k�nnte man ja die richtigen Fragen stellen. Zum Klimathema hat man aber von den bisherigen Kandidaten nicht viel geh�rt. Haben Sie trotzdem einen Favoriten?

Ich bin beim letzten Mal dem demokratischen Kandidaten John Kerry nachgereist, um ihm bei seiner Kampagne zu helfen. Weil ich dachte, er mache eine fantastische Umweltpolitik. Aber ich warte immer noch darauf, welcher Kandidat dieses Mal aufstehen und uns erz�hlen wird, wie er uns in die Zukunft zu bef�rdern gedenkt.

Wie w�r's mit Al Gore?

Ich bin nicht so naiv, daran zu glauben. Es w�re toll, wenn einer dieser neuen Bewerber mit einer Umweltpolitik aufwarten k�nnte wie er. Das w�re fantastisch. Aber ob Gore antritt? Keine Ahnung.

 

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