Premiere Frankreich - Dezember 2002
Interview mit Leonardo Interview: Christian Jauberty
Was hat Sie bewogen, sich f�r "Gangs of New York" zu entscheiden?
Scorsese, nat�rlich. Was das Thema betrifft, ich wusste nichts �ber diese Epoche. Es stand nichts
dar�ber in meinen Geschichtsb�chern. Dennoch war es die Geburt des modernen Amerika, die Erschaffung
einer pluralistischen Gesellschaft mit Leuten, die aus allen Himmelsrichtungen gekommen waren.
Es waren au�erdem die ersten gro�st�dtischen Aufst�nde; New York diente hier, wie in vielen F�llen,
als Versuchsanstalt f�r den Rest des Landes. Stellen Sie sich einen beengten Raum vor, im schlimmsten
Viertel der Stadt, vom Massen von Immigranten bev�lkert, die nach Freiheit und nach Chancen f�r ein
besseres Leben d�rsten: der ideale N�hrboden f�r eine explosive Situation. Und dies alles am Beginn
des Sezessionskrieges.
Man sagt, dass die Dreharbeiten langwierig und kompliziert waren...
Erlauben Sie mir ein bisschen in die Vergangenheit zur�chzugehen. Scorsese arbeitet seit zwanzig
Jahren an diesem Projekt. Ich selbst war 17 Jahre, als ich das erste Mal davon geh�rt habe. Das
schien
mir ein perfekter Film f�r mich zu sein. Zu der Zeit habe ich die K�nstleragentur aus der alleinigen
Hoffnung heraus gewechselt, ein Treffen mit Scorsese zu bekommen. Es hat tats�chlich stattgefunden,
aber sieben Jahre sp�ter, als ich mich gerade darauf vorbereitete, The Beach zu drehen. Scorsese hatte
Michael Ovitz gesagt, dass der n�chste Film, den er realisieren wolle, Gangs of New York sei. Ovitz
hatte ihm mein Einvert�ndnis, den Film machen zu wollen, �bermittelt, und alles fing an, sich
zusammenzuf�gen. Ich machte mich daran, an meiner Rolle zu arbeiten, sobald The Beach abgeschlossen
war. Gangs wurde ein erstes Mal verschoben, weil Scorsese ein Perfektionist ist. Trotz alledem
absolvierte ich ein k�rperliches Training f�r anderthalb Jahre, eine Sache, die ich verabscheue.
Wir haben gedreht von Monat zu Monat, die Produktion zog sich in die L�nge. Aber wenn ich es noch
mal machen k�nnte, w�rde ich es morgen tun. Ich bin bei allen Etappen mit Scorsese zusammengewesen:
der Entwicklung, dem Casting, dem Aufbau der Geschichte.... Und ich bewundere jede Minute davon,
was bis zu diesem Tage meine sch�nste Kinoerfahrung gewesen ist.
Erz�hlen Sie uns �ber dieses spezielle K�rpertraining.
Ich habe f�r ein Jahr Gymnastik gemacht, verbunden mit viel Kampfsport-Training. Ich habe Box-Stile
studiert und die Kampfart, die von den irischen Gangs der Epoche benutzt wurde. Das sind vor allem
eigentlich keltische Krieger mit alten traditionellen Werten, die sich pl�tzlich in die modernste
Gesellschaft der Epoche geworfen finden. Sie bedienen sich gelegentlich der Waffe des Feuers, sind
sich aber bewusst, dass es nicht ehrenhaft ist, auf diese Weise zu k�mpfen. Ich m�chte nicht zu viel
sagen, aber meine Figur muss es lernen, mit dem Messer umzugehen...
Was haben Sie aus Ihrer Zusammenarbeit mit Scorsese f�r sich mitnehmen k�nnen?
Wenn man dreissig Minuten am St�ck mit Martin Scorsese verbringt, hat man letztendlich mehr �ber die
Geschichte des Kinos gelernt als in drei Jahren an einer speziellen Schule. Dieser Mann ist eine
wandelnde Bibliothek, f�hig, dir jede Einzelheit �ber jeglichen Aspekt des Kinos darzulegen. Er ist
einer der seltenen gro�en Lehrmeister. Die Liste dessen, was ich bei ihm gelernt habe, ist zu lang,
um hier aufgesetzt zu werden. Er hat mir die T�ren zu einer Welt ge�ffnet, von der ich fast nichts wusste:
der italienische Neo-Realismus, die Filme von Kurosawa... Nat�rlich habe ich meine Ideen zur Sprache
gebracht, aber wenn Sie hart mit Scorsese arbeiten, ist das Beste, was Sie machen k�nnen, den Mund zu
halten und ihm zuzuh�ren. Aber das Wichtigste ist weniger das, was er sagt, als die Art, wie er
sich einbringt, bis hin zu der Besessenheit, mit der er es tut.
Hat das den Wunsch in Ihnen geweckt, Regisseur zu werden?
Ich wei� es nicht. Ich frage mich, ob ich nicht die Neigung habe, alles zu sehr kontrollieren zu wollen
und den Schauspielern zu viel zu sagen, was sie tun sollen. Letztendlich bin ich mir nicht sicher, ob
ich wei�, wie man eine Geschichte erz�hlt. Vielleicht mache ich eines Tages einen Kurzfilm...
Einen Film in Italien mit Scorsese zu drehen muss eine besondere Erfahrung gewesen sein....
Die Leute erkennen ihn auf der Stra�e und sehen in ihm eine Legende, eine Art Nationalheld wie
Fellini. F�r mich war das tats�chlich eine unglaubliche Erfahrung. Ich habe alle meine Wochenenden
damit
verbracht, Rom zu besuchen und ich habe nicht einmal die H�lfte dessen gesehen, was diese Stadt zu
bieten hat. Ich war in Florenz, in Venedig, in Pompeji. Aber Rom ist ohne jeden Zweifel die
sch�nste Stadt
der Welt. Ich liebe die Orte, wo man die Gegenwart der Geschichte sp�rt, und auf diesem Gebiet hat
Rom wenig, was ihm ebenb�rtig ist.
Sind Sie heute endlich daran gew�hnt, ein Superstar zu sein, dessen kleinste Bewegung untersucht,
kommentiert und fotografiert wird?
Ich werde nicht vorgeben, dass das angenehm ist, aber es ist der Preis des Ruhmes. Wie kann man
berufliches Gl�ck erwarten ohne seine Schattenseiten? Es stimmt, dass ich nicht spazierengehen kann
ohne mich zu fragen: Lauert da irgendwo ein Fotograf?. Aber, andererseits h�tten die Filme,
die ich mache, es m�glicherweise schwerer, eine Finanzierung zu finden, wenn die Wahrnehmung, die
die �ffentlichkeit von mir hat, eine andere w�re. Also, sehen wir die guten Seiten der Sache !
Die Ber�hmtheit hat Ihnen gleicherma�en auch erlaubt, �ffentlich Stellung zu beziehen zugunsten
von erneuerbaren Energien.
Mein Beruf besch�ftigt mich sehr. Aber ich bin gl�cklich, mich auch Dingen widmen zu k�nnen, die
mir wichtig erscheinen. Wenn ich nicht Schauspieler geworden w�re, h�tte ich wahrscheinlich einen
Beruf ausge�bt auf dem Gebiet der Biologie oder des Umweltschutzes. Es ist ein Thema, �ber das man
reden muss, weil die �ffentlichkeit und die Medien ihm nicht gen�gend Aufmerksamkeit schenken.
Das, was die gro�en Industrieunternehmen und �lgesellschaften unserem Planeten zuf�gen, bringt seine
Zukunft ernsthaft in Gefahr. Ich m�chte nicht zu viele Sachen machen, um mich nicht zu verzetteln,
aber die wenigen Dinge dann gut.
Was machen Sie in der Praxis? Fahren Sie ein Elektro-Auto?
Nein. Ich habe das, was man ein Hybrid-Auto nennt, halb Benzin, halb Elektrik-Antrieb. Das ist EINE
Art, ein Beispiel zu geben. Wir haben heutzutage die technischen Mittel, saubere Autos herzustellen,
die mit erneuerbaren Energien fahren. Ich werde bald im Fernsehen eine Dokumentation �ber die Umwelt
pr�sentieren und an einigen Veranstaltungn (Kundgebungen) teilnehmen. Die Erw�rmung des Planeten ist
ein furchteinfl��endes Problem, und die Vereinigten Staaten finden sich an der Spitze der L�nder,
die daf�r verantwortlich sind.
Um auf Gangs of New York zur�ckzukommen, die Rache scheint eine der Triebfedern Ihrer Figur zu
sein...
So ist es. Er hat seinen Vater sterben sehen, als er noch klein war. Man hat ihn in eines dieser
Waisenh�user gesteckt, die in dieser Epoche einem Arbeitslager glichen. Ich habe dar�ber gelesen:
die Kinder waren gezwungen, ihr Brot an der Decke festzunageln, damit die Ratten es nicht fressen
konnten ! Mein Charakter geht hinaus mit der Absicht, seinen Vater zu r�chen. Aber er wird, auf eine
bestimmte Weise, von der Welt, die er entdeckt, verf�hrt, und auch von der Figur Bill the Butchers,
der eine Art Vaterfigur f�r ihn darstellt. Er entdeckt die Freiheit, und zur selben Zeit eine Frau,
die zum ersten Mal Gef�hle der Liebe in ihm erweckt... Am Anfang ist es der Wunsch nach Rache, der ihn
antreibt. Aber am Ende schl�gt er sich vor allem f�r die Werte, die sein Vater verteidigte, f�r die
irischen Einwanderer, f�r ihre Zukunft und ihren Platz in der amerikanischen Gesellschaft.
Ihr Freund Tobey Maguire ist nun ein Superstar geworden dank "Spiderman". Ist es
nicht schwierig, echte Freundschaften in diesem Metier aufrechtzuerhalten?
Nein. Nicht mit Tobey jedenfalls. Ich kenne ihn, seit ich dreizehn war. Wir sind immer die besten
Freunde der Welt und nichts, was uns in unserem Beruf oder unserer Karriere widerf�hrt, wird das
jemals �ndern.
Sie sind nun zur�ck mit zwei sehr erwarteten Filmen nach einigen Fehlschl�gen(? - couacs). Denken
Sie, dass es wichtig war, einige Zeit verstreichen zu lassen?
Ich habe nichts geplant. Ich verbringe meine Zeit nicht damit zu versuchen zu erraten, wie ich die
Wahrnehmung meiner selbst durch das Publikum ver�ndern kann. Ein Projekt interessiert mich, weil es
mit etwas �bereinstimmt, was ich machen will, weil es ein Abenteuer ist, an dem ich teilhaben will
oder weil ich mit dem Regisseur zusammenarbeiten will....
Nach Scorsese und Spielberg, wer ist der n�chste Regisseur auf Ihrer Liste?
Man sagt, dass ich einen weiteren Film mit Scorsese machen werde. In sechs Monaten beginnen wir die
Dreharbeiten zu einem Film �ber das Leben Howard Hughes', The Aviator. Ich werde wahrscheinlich auch
in einem Film �ber Alexander den Gro�en spielen.
Wenige Menschen haben "Gangs of New York" bereits gesehen, aber einige beunruhigen sich schon �ber
die Gewaltt�tigkeit des Filmes...
Es ist wichtig, ganz ungeschminkt zu zeigen, was in jener Epoche geschah. Es war eine Periode wilder
Brutalit�t. Der Rest liegt in der Verantwortlichkeit des Regisseurs. Aber "Der Soldat James Ryan"
enth�lt ebenfalls einige der brutalsten Szenen, die ich jemals gesehen habe, und die ganze Welt hat
Spielberg daf�r gefeiert, dass er den Schrecken des Krieges so gezeigt hat, wie er war.
Was k�nnen Sie uns �ber Daniel Day-Lewis sagen?
Daniel ist einer der gro�artigsten Schauspieler, die jemals existiert haben, Ich habe niemals
jemanden gesehen, der so viel in seine Rolle investiert hat. In der Fr�hst�ckspause, habe ich ihn
in einer Ecke seine Metzgermeser schleifen geh�rt. Er hat w�hrend der neun Drehmonate gesprochen
wie Bill the Butcher. Aber die Leute haben offensichtlich eine falsche Vorstellung davon, was er
repr�sentiert. Er ist jemand von gewinnender, offener, ja, bemerkenswerter Intelligenz. Dass er
mit dem antrainierten Akzent der Stra�en von New York des neunzehnten Jahrhunderts spricht, will
nicht hei�en, dass er nicht bereit w�re, zwei Stunden lang eine Szene mit dir zu diskutieren - oder
einfach den Boxkampf.
Aber Sie arbeiten nicht auf diese Weise?
Nein. Ich glaube, ich w�rde verr�ckt werden, wenn ich abends herumlaufen und in der Haut
meines Charakters bleiben m�sste. Jedem sein Ding. Gl�cklicherweise bin ich in der Lage, mich auf
Anforderung hin zu konzentrieren.
Hat Sie f�r diesen Film �ber Einwanderer die Geschichte Ihrer Familie inspiriert? Die Familie
Ihres Vaters kommt aus Italien...
Aber es ist meine Mutter, die zuletzt nach Amerika her�bergekommen ist. Sie kam als Fl�chtling aus
Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Ich m�chte nicht ins Detail gehen mit schrecklichen
Geschichten, aber es war sehr schwierig (f�r sie). Aber wenn ich es vergleiche mit dem, was sie
meinem Leben mitgegeben hat, kann ich nichts weniger als den tiefsten Respekt f�r sie empfinden.
Das sind die Dinge, die ich im Geiste hatte, als ich an dem Film gearbeitet habe. Aber es ist nicht
deswegen, das ich ihn gemacht habe. Ich wiederhole es noch einmal, es (/er) ist f�r Scorsese.
�bersetzung aus dem Franz�sischen von anlimara *
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