Frankfurter Rundschau 7.11.08
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DiCaprio im FR-Gespr�ch
"Ich bin heute sehr stolz, ein Amerikaner zu sein"

Er hat wie viele Hollywood-Stars Barack Obama unterst�tzt. Doch als die Amerikaner den ersten schwarzen US-Pr�sidenten w�hlten, sa� Leonardo DiCaprio in einem Hotel in Rom - und verfolgte den Triumph im Fernsehen. Erst nach der Siegesrede Obamas, ging er am Morgen ins Bett. Sp�ter am Tag empfing er Martin Scholz zu einem Gespr�ch �ber das neue Amerika.

 

Leonardo DiCaprio: Gut, dass Sie von der schreibenden Zunft sind und nicht vom Fernsehen kommen - da muss ich jetzt nach einer Nacht wie dieser nicht noch darauf achten, cool auszusehen.

Sie sehen etwas m�de aus.

Ich habe die ganze Nacht vorm Fernseher gehockt, die Hochrechnungen verfolgt. Ehrlich gesagt, bin ich im Moment ziemlich durch den Wind (lacht). Ich habe bis etwa 7.30 Uhr durchgehalten, denn ich wollte unbedingt die Rede von Obama live erleben.

Wie fanden Sie seine Rede?

Sie war gro�artig, sehr bewegend und erhebend. Gleichzeitig zeigte er unmissverst�ndlich diese Entschlossenheit, gleich mit der Arbeit anfangen zu wollen. Er wirkte �wie ein Pr�sident. Und er hat es geschafft, uns mit seinen Worten alle zusammenzuschwei�en, uns mitzunehmen und zu inspirieren, k�nftig mit der neuen Regierung zusammenzuarbeiten. Eine solche Interaktion zwischen Politikern und dem Volk hat es in meinem Land schon lange nicht mehr gegeben. Obama hat einen langen Weg zur�ckgelegt. Er repr�sentiert alles, was Amerika eigentlich ausmacht, er verk�rpert den Amerikanischen Traum, er selbst ist der Beweis, dass unsere Nation ein Schmelztiegel ist, in dem es jeder schaffen kann. Die BBC hat heute Morgen Martin Luther King zitiert: "Wir sollten einen Menschen nach seinen Charakter-Eigenschaften beurteilen, nicht wegen seiner Hautfarbe." Genau das hat mein Land jetzt gemacht. Ich bin heute sehr stolz, Amerikaner zu sein. Obama wird fundamentale Ver�nderungen einf�hren, und ich glaube, er wird sofort damit anfangen.

Interessant, dass Sie die BBC als Referenz angeben. Wir dachten, Sie h�tten nonstop CNN geguckt.

Wissen Sie, viele Amerikaner sind ein Produkt ihrer Umgebung, ganz gleich, ob sie Demokraten oder Republikaner unterst�tzen. Aber um sich eine fundierte Meinung bilden zu k�nnen, muss man auch mal �ber den Tellerrand hinausblicken und sich nicht nur auf die US-Mainstream-Medien verlassen. Ich schaue deshalb BBC oder auch Nachrichtensendungen aus anderen L�ndern - einfach um eine andere Perspektive zu bekommen. Denn es macht mich immer wieder fassungslos, �ber wie viele Ereignisse in der Welt in meinem Land gar nicht berichtet wird. Es wird irgendwie rausgefiltert. Das ist schlimm. Aber auch in dieser Hinsicht hat der j�ngste Wahlkampf gezeigt, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.

Was hat sich denn gebessert?

Die Art und Weise, wie sich die Amerikaner in den letzten Wochen und Monaten durch das Internet nicht nur informiert, sondern auch gegenseitig motiviert haben, politisch aktiv zu werden, war beispiellos. Das Internet hat eine Art Jugendbewegung angeschoben. Vor allem die jungen Amerikaner haben sich im Netz ausgetauscht, haben debattiert. Das Medium hat ihre Stimme in einer bisher noch nie dagewesenen Weise verst�rkt.

Sie selbst waren auch Teil dieses Internet-Wahlverst�rkers: Auf Ihrer Website konnte man sich nicht nur �ber die Programme der Kandidaten informieren, Sie haben auch ein Video draufgestellt, in dem Steven Spielberg, Will Smith, Julia Roberts, Harrison Ford, Tom Cruise und Sie dazu aufrufen, w�hlen zu gehen.

Ja, und die Leute haben sich mitrei�en lassen, haben Blogs gestartet, Mails verschickt. So ist ein ganz neues Netzwerk entstanden, das sich rasant ausgebreitet hat. In diesem Netz hatte auch der Einzelne eine Stimme. Obama hat dieses Potenzial erkannt und hat es sich zunutze gemacht.

Haben Sie Obama je getroffen?

Ja, mehrere Male.

Selbst wohlmeinende politische Beobachter fragen sich zuweilen, ob sein Image nicht ein bisschen zu perfekt, zu glatt ist. Auch im Moment seines gr��ten Triumphes, als er in Chicago seine Rede hielt, bewahrte er seine Coolness.

Wir haben ihn nicht wegen seines Show-Talents oder seiner K�rpersprache gew�hlt, sondern wegen seiner Politik und der Zukunft, die er uns verspricht. Davon mal abgesehen, haben Sie nat�rlich Recht: Obama ist ein attraktiver Pr�sident.

Werden wir Sie bald auch im Wei�en Haus sehen? Es hei�t, Sie arbeiteten derzeit mit Martin Scorsese an einem Film �ber US-Pr�sident Franklin D. Roosevelt.

Das stimmt, aber wir arbeiten beide schon sehr lange daran. Roosevelt war ohne Zweifel einer der gro�en Pr�sidenten unseres Landes. Eine historische Gr��e. Einige seiner Ideale und Visionen sind nach wie vor relevant. Er war ja einer der ersten Umweltsch�tzer. In meiner Branche gibt es f�r solche ewigen Film-Projekte den Begriff "Planungs-H�lle", einfach weil sich die Entwicklungsphase so lange hinzieht. Also, wir sind noch nicht so weit.

Ihr neuer Film "Der Mann, der niemals lebte" beleuchtet aktuelle ungel�ste Konflikte, die t�glich im Kampf gegen den Terror zwischen den USA und der arabischen Welt entstehen. Sie spielen einen CIA-Agenten, der in Jordanien eine islamistische Terrorgruppe unterwandern soll und dabei auch die Methoden seines Landes in Frage stellt. Sie haben sich als Vorbereitung f�r diese Rolle mit CIA-Agenten getroffen. F�hlen Sie sich von der CIA besch�tzt?

Sie fragen mich, ob ich Vertrauen zur CIA habe? Ob ich meinem Land vertraue, wie es diesen Krieg f�hrt? Das l�sst sich nicht so einfach beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich nach der Recherche und den Dreharbeiten ziemlich verwirrt bin. Die USA haben ein sehr komplexes Netzwerk im Nahen Osten gesponnen. Es wird Jahre dauern, bis wir uns da wieder zur�ckziehen k�nnen. Fragen Sie mich bitte nicht, wie man dieses Dilemma l�sen k�nnte, darauf wei� ich leider auch keine Antwort. Wenn ich sie w�sste, w�re ich Politiker geworden und w�rde keine Filme drehen.

Was durften die CIA-Leute einem Schauspieler denn �berhaupt verraten?

Die haben mir eindr�cklich geschildert, wie es ist, wenn man im Nahen Osten in diesem un�berschaubaren, bedrohlichen Umfeld arbeiten muss. Ich saugte alles auf, was ich �ber die CIA-Eins�tze erfahren konnte. Der Krieg gegen den Terror wird ja immer gerne als High- Tech-Feldzug dargestellt, in dem dank Satelliten-�berwachung vieles m�glich sei. Letztlich geht es aber vor allem darum, Informationen zu bekommen, die verl�sslich sind. Deshalb muss man sich mit den Menschen vor Ort austauschen, man muss lernen, sie zu verstehen.

Sie haben sich f�r diesen Film einen Sprach-Trainer genommen, der Ihnen etwas Arabisch beibrachte. Ist davon was h�ngen geblieben?

Ich kann jetzt nicht wirklich Arabisch sprechen. Inschallah und schukran - das ist alles, was h�ngen geblieben ist. Es war sehr schwer f�r mich, in dem Film Arabisch zu sprechen. Wir Amerikaner sprechen eher oben im Mund, wir sind es nicht gewohnt, wie Araber die Vokal-Muskeln in der Kehle zu benutzen. Mein Sprachlehrer Sam Sako hat mich sehr unterst�tzt, er brachte mir nicht nur unterschiedliche Akzente bei. Er brachte mir auch die arabische Kultur n�her, wie man die �lteren respektiert und wie man sich einer Frau gegen�ber verh�lt.

In dem Film spielt die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani eine Krankenschwester, die eine sehr vorsichtige Zuneigung zu dem CIA-Agenten entwickelt. Unter Bush geh�rte der Iran zur Achse des B�sen. Wie sah Ihre Zusammenarbeit mit Farahani unter diesen Voraussetzungen aus?

Wir haben uns jedenfalls nicht gestritten, das kann ich Ihnen versichern. Sie ist eine fantastische Schauspielerin, wir beide haben die gleichen politischen Wertvorstellungen. Sie ist auch im wirklichen Leben eine gute Freundin von mir. Sie hat sehr viel auf sich nehmen m�ssen, um �berhaupt in diesem Film mitspielen zu k�nnen. Sie stand wohl unter Druck, fragte sich, ob sie diesen Film �berhaupt machen sollte. Soweit mir bekannt ist, gibt es da aber inzwischen keine Probleme mehr.

In einem Interview mit den New York Daily News sagte Farahani, sie h�tte wegen dieses Films in ihrer Heimat viele Probleme gehabt. So h�tte der iranische Geheimdienst sie mehrmals verh�rt, noch bevor �berhaupt jemand den Film gesehen hatte.

Man sollte sich Filme immer erst ansehen, bevor man ein Urteil �ber sie f�llt. Zumal dies gewiss kein Film ist, der die USA in irgendeiner Weise glorifiziert. Die Ironie ist, dass dieser Film in bestimmten Teilen der Welt wom�glich trotzdem als anti-arabisch wahrgenommen werden k�nnte. Was er schlichtweg nicht ist, wir haben uns um eine ausgewogene Perspektive bem�ht.

Wie wichtig ist es f�r Sie, bei Projekten wie diesem in andere Kulturen einzutauchen?

Ich habe w�hrend der Dreharbeiten zu "Blood Diamond" sechs Monate in Afrika verbracht und in dieser Zeit nicht nur viel �ber den Diamantenhandel gelernt, sondern auch �ber die Lebensbedingungen der Menschen dort. Wenn ich die M�glichkeit bekomme, in einem Film mitzuspielen, in dem Weltpolitik eine Rolle spielt, wenn das Drehbuch und der Regisseur gut sind - dann muss ich das machen. Es ist mir wichtig, Unterhaltung mit politischem Anspruch und einem gewissen Relevanzgehalt zu machen. Aber in dem Bereich sind die guten Stoffe rar.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen denn �berhaupt, zwischen rotem Teppich, Hotel und Flughafen den Horizont zu erweitern?

Ich versuche es. Aber das ist nicht leicht, wenn einem st�ndig Leute mit Foto-Handys folgen, sobald man sein Hotel verl�sst. Da f�llt es schwer, in eine andere Kultur einzutauchen. Das geht vielleicht noch im afrikanischen Busch. Aber nicht hier in Rom.

Mr. DiCaprio, obwohl sich Ihre Eltern kurz nach Ihrer Geburt trennten, waren sie beide f�r Sie da. Ihr Vater hat italienische Vorfahren, Ihre Mutter ist Deutsche. Gibt es etwas typisch Deutsches an Ihnen?

Sehr viel. Ich bin nun mal der Sohn meiner Mutter. Sie war als deutsche Auswanderin in die USA gekommen, ohne viel Geld. Sie versuchte, durch harte Arbeit ein Leben f�r sich und mich aufzubauen.

Yes we can � der Amerikanische Traum.

Absolut. Sie hat mich enorm unterst�tzt, hat in mich investiert, in dem Sinne, dass sie mir alles erm�glichte. Was f�r sie bestimmt nicht immer leicht war. Stellen Sie sich mal vor, Sie w�rden st�ndig von ihrem neunj�hrigen Sohn angeschrieen: "Ich will unbedingt Schauspieler werden will, nimm mich mit zum Vorsprechen." Und das habe ich jeden Tag nach der Schule so gemacht.

Und Ihre italienischen Wurzeln?

�ber meine italienischen Vorfahren wei� ich nur wenig, ich habe immer mehr Kontakt zu meinen deutschen Verwandten gehabt. Aber mein Vater wird nicht m�de zu betonen, wie italienisch ich doch sei.

Was bei Ihrem Namen ja auch auf der Hand liegt.

Irgendein Agent wollte mal bei einem Vorsprech-Termin meinen Namen �ndern - in Lenny Williams oder so was �hnliches. Die Filmleute fanden, DiCaprio kl�nge zu folkloristisch. Als mein Vater das mitbekam, haute er mit der Faust auf den Tisch und sagte: "Kommt �berhaupt nicht in Frage! Dein Name ist und bleibt Leonardo DiCaprio."

 

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