Focus - 22. Januar 2007
"Ich habe mich emanzipiert"
Herr DiCaprio, kreischen Ihnen noch immer weibliche Fans auf der Stra�e hinterher wie zu 'Titanic'-Zeiten? Nein, dieses Theater hat zum Gl�ck l�ngst nachgelassen. Ich bin nat�rlich schon stolz darauf, dass 'Titanic' bis heute der erfolgreichste Film aller Zeiten ist und ich meinen Anteil daran hatte, aber r�ckblickend gesehen, lag mir der riesige Erfolg des Films auch lange Zeit schwer im Magen. K�nstlerisch und privat. Ich musste mich anschlie�end erstmal freistrampeln. Ich wollte schlie�lich kein Teen-Idol sein. Zwar k�nnte ich vom Aussehen her wohl noch immer einen Typen in seinen 20ern spielen, aber man traut mit l�ngst verst�rkt reifere Charakterrollen zu. Ich denke, ich habe mich emanzipiert. Hat Ihnen dabei Starregisseur Marin Scorsese geholfen, der Sie in seinen letzten drei Filmen, 'Gangs of New York', 'The Aviator' und j�ngst 'The Departed', f�r die Hauptrollen besetzte? Klar, mit ihm zu arbeiten ist das Beste, was einem Schauspieler passieren kann. Ich habe viele meiner Unsicherheiten �berwunden, die ich als Teenager und auch sp�ter hatte. Ich bin erwachsener und ruhiger geworden. Die Zeiten, in denen Sie mit Ihrem Freund Tobey Maguire um die H�user zogen, sind also auch vorbei? Tobey ist ja k�rzlich Vater geworden, er hat nun verst�rkt h�usliche Pflichten. Ich gehe schon gelegentlich noch aus, aber ich muss nicht mehr n�chtelang von Club zu Club ziehen. Sehnen Sie sich auch nach einem Familienleben? Wer wei�, ich lasse das auf mich zukommen. Sie sind mit dem israelischen Model Bar Refaeli liiert.... Ich rede nicht gern �ber Privates, das f�hrt meist zu Missverst�ndnissen. Sprechen wir lieber �ber Scorsese, mit ihm verbindet mich schlie�lich auch eine Art Liebesbeziehung. Ach ja? Keine Frage, er ist mein Mentor. Dieser Mann ist so was wie ein Professor des Kinos, ein wandelnder Filmhistoriker, der �ber enorm viel Wissen und Einf�hlungsverm�gen verf�gt und dadurch stets in der Lage ist, einem w�hrend der Dreharbeiten gute und schlechte Beispiele f�r die Gestaltung einer Szene zu nennen. Das ist beeindruckend und eine echte Lernhilfe zugleich. Was genau haben Sie gelernt? Ich bin fr�her als Teenager Schauspieler geworden, weil ich so sein wollte wie die Helden in den Comic-Serien und Filmen, die ich im Fernsehen sah. Weil ich so schm�chtig und kleinw�chsig war, wurde ich oft auf der Stra�e gedisst und sogar verpr�gelt. Die M�nner in den Filmen waren meistens stark und bekamen au�erdem stets die besten Frauen. Da dachte ich: "Das ist die L�sung, ich m�chte auch Schauspieler werden." Ich erhielt tats�chlich meine Chance, allerdings habe ich den Job lange sehr locker gesehen und wollte einfach nur Spa� haben. Das hat sich mittlerweile ge�ndert. Inwiefern? Mein neuer Film 'Blood Diamond' ist eine gelungene Mischung aus spannender Unterhaltung und politischer Botschaft, die auf die Missst�nde der schmutzigen Diamantenindustrie in Sierra Leone aufmerksam macht. Dort wurden die Bewohner von Rebellen jahrelang terrorisiert und zur Edelsteinsch�rfung versklavt. Selbst Kinder wurden zu M�rdersoldaten ausgebildet. Viele Diamantenfreunde wissen bis heute nicht, wie viel Blut vergossen wurde, um diese Klunker zu f�rdern. Ich habe meiner Mutter auch mal eine Juwelenkette gewschenkt, k�nftig verzichte ich lieber auf solche Geschenke. Die Rolle des Diamantenschmugglers Danny Archer war also definitiv f�r mich bisher unbekanntes Terrain. Auch der Dreh war in Afrika? Ich habe mehrere Monate dort verbracht, das war v�lliges Neuland f�r mich. Die Dreharbeiten waren die eindrucksvollsten und schwierigsten zugleich, sie haben meinen Blick f�r die Probleme Afrikas erweitert und mir bewusst gemacht, wie l�cherlich dagegen die Alltagsprobleme in den reichen Industrienationen sind. Die Bewohner dieser Region durchlitten 30 Jahre B�rgerkrieg, viele leben in bitterster Armut und leiden Hunger, jeder Vierte ist mit Aids infiziert. Und dennoch: die Menschen tanzen auf den Stra�en und verspr�hen einen ungehemmten Lebensmut. Wenn meine Freunde heute �ber Kleinigkeiten jammern, wasche ich ihnen den Kopf und erz�hle ihnen von Afrika. Wir m�ssen alle lernen, verantwortungsvoller mit anderen Kulturen umzugehen und nicht auf deren Kosten zu leben. Kollegen wie Angelina Jolie, Brad Pitt oder Bono engagieren sich bereits seit l�ngerem f�r die Belange Afrikas. Folgen Sie deren Beispiel? Wir haben w�hrend des Drehs spontan einen Fonds gegr�ndet, um in der Region von Mosambik die Infrastruktur zu verbessern und Einrichtungen wie die SOS-Kinderd�rfer zu f�rdern. Ich habe vor Ort Heime besucht, in denen die kleinen W�rmer zusammengepfercht leben, weil sie ihre Eltern durch Hunger oder Aids verloren haben. Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Es ist gut, dass Prominente ihren Status nutzen, um auf solche Probleme aufmerksam zu machen. Positiv ist zudem, dass mehr Filme �ber die Zust�nde in Afrika gedreht werden wie 'Hotel Ruanda' oder 'The Last King of Scotland'. Ich werde k�nftig mehr politisch angehauchte Filmprojekte angehen, solange der Unterhaltungswert auch gegeben ist. Ich m�chte n�mlich kein Prediger sein. Das hei�t aber nicht, dass ich mich abseits meiner Arbeit nicht f�r globale Probleme engagiere. Sie sind seit Jahren ein Aktivist f�r mehr Umweltschutz... Ja, wenn es auch oft hei�t: "Was bl�st sich denn dieser Schauspielfuzzi so auf?" Zum Umweltschutz habe ich sogar eine Rede vor dem Kongress gehalten. K�rzlich habe ich die Doku '11th Hour' produziert, in der Experten die Hintergr�nde der Klimaver�nderung erkl�ren. Auch Stephen Hawking und Michail Gorbachov wurden interviewt. Es muss endlich in die K�pfe der Menschen: Der Klimawander bedroht unseren Planeten massiv. Das Interview f�hrte Andreas Renner.
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