Cinema - M�rz 2003
"Schauspieler sind alle Gauner" Interview mit Leonardo DiCaprio von Roland Huschke und Scott Orlin
Er muss es wissen - in "Catch Me If You Can" spielt er schlie�lich Amerikas gr��ten Hochstapler: Leonardo DiCaprio. Im CINEMA-Gespr�ch bekennt Leo sich zu seinem Vorbild Frank Abagnale, Jr. ("unschuldig wie ein Lehrer"), eigenen L�gen ("Mathe? F�rchterlich!") und seinem Vater ("Buddha"). Wir glauben DiCaprio jedes Wort.
Er tr�gt Schauz und Ziegenb�rtchen wie seine Figur Amsterdam Vallon in Martin Scorsese's Epos
"Gangs of New York". Er wirkt jedoch bei weitem nicht so bullig, allerdings auch nicht so knabenhaft
wie in "Catch Me If You Can". Oder wie es Cameron Diaz, sein Co-Star in "Gangs of New York",
formuliert hat: "Er ist kein kleiner Junge mehr. Die Art, wie ihn die Leute in der Vergangenheit
wahrgenommen haben, wird bald wie weggeblasen sein." Schlecht f�r die letzten �berlebenden der
"Titanic"-Hysterie, aber gut f�r Leonardo Wilhelm DiCaprio, 28. Ganz im Bewustsein, dass der Anfang
des Kinojahres 2003 allein ihm geh�rt, nimmt er im New Yorker Regency Hotel l�ssig zur�ckgelehnt
Fragen entgegen.
Wie war Ihr allererster Eindruck von Frank Abagnale?
Nicht in einer Million Jahre h�tte ich geglaubt, dass dieser Typ auch nur eine Briefmarke klauen
k�nnte. Er wirkt so unschuldig wie ein Schullehrer.
Haben Sie ihn studiert? Und haben Sie �hnlichkeiten mit sich selbst erkannt?
Ich habe ihn einige Tage mit dem Notizblock begleitet. Es gibt definitiv eine Verwandschaft zwischen
Schauspielern und Betr�gern. Doch Frank setzt sein Talent unbewusst ein. So h�lt er immer den
Blickkontakt, wenn er mit jemandem redet. Und als ich ihn bat, mir zu zeigen, wie er bei seinen
Betr�gereien vorging, w�hlte er eine Telefonnummer und nahm augenblicklich diesen S�dstaaten-Dialekt
an. Ihm war instinktiv klar, dass ein S�dstaaten-Dialekt Autorit�t verleiht. Das ist die Kunst des
Irref�hrens, die mein Job mit dem eines Magiers oder Gauners gemein hat - obwohl ich bezweifle,
dass wir Menschen in unserer Rollenwahl absolut frei sind. Letztlich bestimmen Moral und Bed�rfnisse
unser Handeln.
Haben Sie Ihr Talent je missbraucht?
Das Schlimmste, was ich je getan habe, war, meinen Lehrern etwas vorzumachen. Ich hatte immer
schlechte Noten, Mathe war f�rchterlich. Also nutzte ich ein paar Manipulationstechniken, um
Entschuldigungen hervorzuzaubern, die nicht wahr waren. Ich wurde sehr emotional un weinte manchmal.
Bitte ersparen Sie mir weitere Details !
K�nnen Sie als Schauspieler Betr�ger leichter entlarven?
Ich arbeite daran. Nat�rlich halte ich jeden neuen Bekannten erstmal f�r unschuldig. Aber gerade
seit "Titanic" hat es jedes Jahr in meinem n�heren Umfeld einen Menschen gegeben, der sich leider
als unehrlich erwies und zu dem ich jeglichen Kontkt abbrechen musste. Andrerseits r�ckt man noch
enger mit den Freunden zusammen, die man schon seit Ewigkeiten hat.
Oder der Familie. Welchen Einfluss haben Ihre Eltern auf sie?
Meine Mutter ist eine deutsche Immigrantin und kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika. Sie
wurde in einem Bombenkeller geboren. Ihre Erinnerungen haben mir bei "Gangs of New York" sehr
geholfen, da ich die Not der Fl�chtlinge besser verstand und wie es ist, wenn einme in der Neuen Welt
ein wichtiger Teil fehlt. Sie ist einer der liebevollsten und am h�rtesten arbeitenden Menschen, die
ich kenne. Sie hat t�glich vier Stunden damit verbracht, mich zur bestm�glichen Schule zu fahren. Ihr
ganzes Leben hat sie versucht, das Beste f�r mich zu tun. Ich liebe sie �ber alles. Mein Vater hat
wie kein anderer meine Karriere beeinflusst. Er hat einen ganz besonderen Geschmack, was Kunst,
Architektur und Film angeht. Ich h�re auf seinen Rat, er ist eine Art weiser Buddha f�r mich. Einen
kl�geren Menschen als ihn habe ich nie getroffen, und ich bin sehr gl�cklich, ihn als Vater zu
haben.
Wie Abagnale sind Sie ein Scheidungskind.
Aber ich habe das Beste aus beiden Welten bekommen. Zwar haben sich meine Eltern getrennt, doch sie
waren in jeder Hinsicht echte Eltern f�r mich. Einen gro�en Teil meines Lebens wohnten sie nur eine
Stra�e voneinander entfernt, ich konnte also direkt durch den Hinterhof r�ber zum anderen Haus gehen.
Wenn ich von dem einen nicht bekam, was ich wollte, bin ich immer r�ber zum anderen gerannt
(lacht).
Dieses Prinzip klingt bekannt: Warum haben Sie sich aus der �ffentlichkeit zur�ckgezogen,
nachdem es schien, als wollten Sie keine Party auslassen?
Zun�chst nur eines: Nur weil irgendwer schreibt, dass ich mich irgendwo aufgehalten habe, muss das
nicht stimmen. Viele Clubs lancieren die Namen von Stars, um ihre L�den in die Presse zu bringen.
Was nicht hei�t, dass ich die Zeit bereue, in der ich �fter unterwegs war. Als junger Mann will
ich erleben, wozu ich Lust habe, und keine Paparazzi-Kolonne kann mich daran hindern.
Haben Sie gelernt, mit Ihrer Ber�hmtheit umzugehen?
Ich bin jetzt seit zw�lf Jahren in diesem Gesch�ft. Ich wei� noch, wie ich meinen ersten Film
gedreht habe: "This Boy's Life" mit Robert De Niro. Ich kannte damals weder "Taxi Driver" noch "Wie
ein wilder Stier". In meiner Ignoranz habe ich mich beim Vorsprechen direkt neben De Niro gestellt.
Mir fehlte die Angst und das hat mir geholfen, durch die Rolle und den ganzen Filmprozess zu gehen.
Viele Leute sind kein gutes Beispiel f�r den Umgang mit dem Ruhm. Aber Steven Spielberg und Tom
Hanks haben mir gezeigt, was es hei�t, richtig professionell zu sein. Der gr��te Regisseur und der
gr��te Schauspieler - aber sie haben sich die F�higkeit bewahrt, mit Menschen menschlich umzugehen.
Ohne jemanden niederzumachen oder vorzuf�hren.
Und wie geht es weiter mit Ihnen?
Der ganze Rummel um "Titanic" machte mir die Priorit�ten des Gesch�fts klar. Man mag sich sehnen
nach dieser Anerkennung, aber der Menschenverstand sagt doch, wie fl�chtig dieser Hype ist. Die
kreischenden Kids werden erwachsen - und ich auch. Bestand hingegen hat nur die Arbeit, die Menschen
unter die Haut zu gehen versucht. Es gibt so viel Geld in Hollywood, da muss es m�glich sein,
Risiken einzugehen und intelligente Filme zu wagen. Ich will mir jedenfalls nicht in zehn oder
f�nfzehn Jahren vorwerfen, das nicht versucht zu haben.
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